Im Jahre 1898 veröffentlichte der Brite Ebenezer Howard ein Buch mit dem Titel „Gartenstädte der Zukunft“, in dem er die Vorteile kleinerer begrünter Siedlungen pries, die städtisches und ländliches Leben miteinander kombinierten. Ebenezer Howard war in seinem Denken sehr von den Ideen William Morris beeinflusst, dem Begründer des „Arts and Crafts Movements“, einem Vorläufer des Jugendstils.
In Barcelona war der Großindustrielle Eusebi Güell, der in Nimes Sozialwissenschaften studiert hatte und oft nach England reiste, von dieser „Zurück zur Natur Philosophie“ begeistert. Er fürchtete, dass die rasante Industrialisierung und das Leben im schnell wachsenden, nicht mehr zu kontrollierenden Moloch Barcelona bei den Menschen zu einem Verfall Christlicher und Katalanischer Werte führte.
Aus diesem Grund schlug Eusebi Güell seinem guten Freund Antoni Gaudí vor, weit außerhalb vom Sündenpfuhl Barcelona auf dem Montaña Pelada (heute Turó de Carmel) eine Gartenstadt im Sinne von Ebenezner Howard zu errichten.
Gaudí, der Eusebi Güells Überzeugungen teilte (beide waren überzeugte Katalanisten), entwarf im Jahr 1900 eine Gartenstadt, deren Symbolik eng mit der Katalanischen Wiedergeburt (Renaixsanca) und dem Christlichen Glauben verflochten war.
Gaudí und sein Freund und Gönner Güell arbeiteten bis 1914 an dem Projekt. Ihre ursprüngliche Idee war, 60 Villen auf dem Gelände zu errichten. Die Gebäude sollten sich dabei allerdings an ihre Umgebung anpassen und von Gärten und Bäumen umgeben sein. Von jeder der Villen sollte man einen atemberaubenden Blick auf Barcelona haben.
Die beiden Pförtnerhäuschen am Haupteingang der geplanten Gartenstadt wurden von der Oper Hänsel und Gretel inspiriert, die zu der Zeit gerade im Liceu aufgeführt wurde. Das rechte Häuschen mit dem Turm (von außerhalb des Parks gesehen) stellt das Lebkuchenhaus der Hexe dar, das hohe Türmchen soll ein giftiger Pilz sein. Das Haus gegenüber ist das Elternhaus der Kinder.
Die Hauptsymbole des Parkes haben mit der Natur, der Katalanischen Identität und natürlich der Religion zu tun.
Die schrägen Säulen der Vidadukte erinnern an Palmen und Stalaktiten, es gibt Höhlen und Grotten, in denen man keine einzige gerade Linie sieht.
Den Abhang schlängelt sich ein Weg hoch. Ursprünglich sollte er zu einer Kirche führen, die allerdings nie gebaut wurde. An ihrer Stelle wurde auf dem Gipfel ein Kalvarienberg mit drei Kreuzen errichtet. (El Cerro de las Tres Cruces)
Im Zentrum der Anlage befindet sich die berühmte Säulenhalle. (Die Halle der hundert Säulen, die in Wirklichkeit jedoch nur aus 86 Säulen besteht)
Die Säulen sind allesamt hohl. Sie sind Teil eines durchdachten Entwässerungssystems, das die Terrasse darüber trocken hält und das Regenwasser in eine Zisterne leitet, von der aus der berühmte Drachen Brunnen auf der Haupttreppe gespeist wird.
Die Säulenhalle sollte der Markt der Gartensiedlung sein. Doch daraus wurde nichts, da sich die betuchten Bürger der Stadt nicht für das Projekt erwärmen konnten.
Während die Grundstücke in der Gartensiedlung auf dem Tibidabo, die der Pharmazeut Doctor Andreu plante, weggingen wie warme Semmeln, mussten Gaudi und Güell die Grundstücke in ihrer Gartensiedlung anbieten wie Sauerbier.
Niemand wollte sie haben.
Ein Grund dafür könnte die etwas übersteigerte Symbolik sein, die die Leute wohl ein wenig befremdete. Aber wahrscheinlich war es die fehlende Verkehrsanbindung, die die Leute abschreckte.
Gaudí und Güell wollten ihre Gartenstadt nämlich weit weg von den schädlichen Einflüssen Barcelonas wissen und weigerten sich deswegen, eine Trambahnlinie zu deren Pforten auf dem Montaña Pelada zu bauen.
Zu den Grundstücken, die in dem Villenviertel des Doctor Andreu verkauft wurden, fuhr die Tramvia Blau.
Das Projekt des Doctor Andreu war ein voller Erfolg, die Gartenstadt von Gaudí und Güell ein Fiasko.
Im Park Güell wurden gerade mal drei Villen errichtet.
In einer lebte Eusebi Güell bis zu seinem Tod 1918, in dem zweiten lebte Gaudí von 1906 bis 1925, das Jahr, als er in die Sagrada Famillia umzog, um sich ganz seinem großen sakralen Bauwerk zu widmen.
Das dritte Gebäude gehörte Martí Trias i Domènech, der ein Freund der beiden war.
Als Eusebi Güell 1918 starb, verkauften dessen Kinder das Gelände der Stadt. 1922 wurde es als öffentlicher Park eingeweiht.
Gaudís Wohnhaus wird im Jahre 1963 als Museum eröffnet. Im Jahr 1984 wird der Park Weltkulturerbe.
Der größte Teil des Parks ist kostenlos. Für die Säulenhalle und die Terasse mit den berühmten Trencadis Bänken jedoch muss man Eintritt zahlen.
Es lohnt sich auf alle Fälle, online zu buchen.
U-Bahn:
U – Bahnstation Vallcarca. (Grüne Linie L 3 ) Dann den Schildern nach. 10 Minuten Fußweg. Steile Straße, ein Teil davon Rolltreppe.
Oder:
Lesseps (Grüne Line L3)+10min. Fußweg
Bus:
Bus 24 von Plaza de Catalunya
Öffnungszeiten 25. Okt. - 23. März: 8:30 - 18:00 Uhr 24. März - 19. Okt.: 8:00 - 21:30 Uhr
Glauben Sie uns: diese einmalige Gartenanlage ist ein Muss. Dafür lohnt es sich sogar, extra früh aufzustehen. (Denn Sommer wie Winter ist der Ansturm groß. Doch der frühe Vogel fängt nicht nur den Wurm, er genießt den Park fast ganz allein)
Vielleicht haben Sie ja auch Lust, vorher (oder nachher) an einer unserer Gaudí Touren oder einer anderen unserer deutschsprachigen Stadtführungen durch Barcelona teilzunehmen. Wir würden uns freuen.
Auf bald.
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